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Die Bekehrung der Edith Stein in der Begegnung mit Teresa von Avila

Ikone der hl. Teresia Benedicta vom Kreuz (Edith Stein) in ihrer Taufkapelle in Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz/ Südliche Weinstraße). Foto: elsalaska.twoday.net/stories/4702196/

Begegnung mit Teresa von Avila

Es war im August 1921. Edith Stein weilt zu Gast bei ihrer Freundin Hedwig Conrad-Martius und deren Gatten in Bad Bergzabern in der Pfalz. Das Ehepaar hatte auswärts zu tun. Vor der Abreise führte Frau Conrad-Martius ihre Freundin Edith zum Bücherschrank und forderte sie auf, nach Belieben zu wählen. Edith Stein erzählt selbst: „Ich griff hinein aufs Geratewohl und holte ein umfangreiches Buch hervor. Es trug den Titel: ‚Leben der heiligen Teresa von Avila‘, von ihr selbst geschrieben. Ich begann zu lesen, war sofort gefangen und hörte nicht mehr auf bis zum Ende. Als ich das Buch schloß, sage ich mir ‚das ist die Wahrheit‘.“ Die ganze Nacht hindurch hatte sie gelesen bis zum Aufgang der Sonne.

Was war geschehen? All die Jahre hatte sie die Wahrheit gesucht. In dieser Nacht hatte sie die Wahrheit gefunden. Aber es war nicht das, was die Philosophen, zu denen sie gehörte, Wahrheit nannten, sondern eine ganz andere Wahrheit, die Wahrheit in Person, das liebende Du Gottes, das Teresa von Avila erfahren durfte und in ihrer Lebensbeschreibung bezeugt. Als Edith Stein am Morgen das Buch schloß und sagte: Das ist die Wahrheit, war gerade die Sonne am Aufgehen. In ihrem Inneren aber war das Licht der Gnade und der Liebe Gottes aufgegangen. Edith Stein hat die Wahrheit gesucht und Gott gefunden.

Wie ging es nun weiter? Noch am gleichen Morgen kaufte sie sich zwei Bücher: einen katholischen Katechismus und ein Schott-Meßbuch. Sie studierte beide Bücher. Als sie sich deren Inhalt angeeignet hatte, ging sie in die Pfarrkirche in Bad Bergzabern und wohnte zum erstenmal der hl. Messe bei. Sie berichtet: „Nichts blieb mir fremd, dank der vorhergehenden Studien verstand ich auch die kleinste Zeremonie. Ein ehrwürdiger Priestergreis trat zum Altar und feierte das heilige Opfer mit inniger Würde. Nach der heiligen Messe wartete ich, bis der Priester seine Danksagung vollendet hatte. Ich folgte ihm ins Pfarrhaus und bat ihn kurzerhand um die heilige Taufe. Mit verwundertem Blick antwortete er, daß der Aufnahme in die heilige Kirche eine Vorbereitung vorangehen müsse. ‚Wie langen haben Sie schon Unterricht und wer erteilt denselben?‘ Als Antwort konnte ich nur erwidern: ‚Bitte, Hochwürden, prüfen Sie mich.'“

Zwischen Pfarrer Breitling und Edith Stein entspann sich ein Gespräch, bei dem sie keine Antwort schuldig blieb. Die Taufe wurde für den Neujahrstag 1922 festgelegt. Edith Stein durchwachte die Nacht im Gebet. Am Morgen des 1. Januar 1922 trat sie, von ihrer Freundin Hedwig Conrad-Martius geleitet, an den Taufbrunnen der Pfarrkirche St. Martin in Bergzabern und empfing das Sakrament der Taufe. Dabei wählte sie sich die Namen Theresia Hedwig. Sie feierte die hl. Messe mit und empfing zum erstenmal den Leib des Herrn, mit dem sie sich von da an täglich nährte. Und sie begann das Brevier, das Stundengebet der Kirche, zu beten, das sie von nun an täglich ganz verrichtete. Am Lichtmeßtag 1922 empfing sie in der bischöflichen Hauskapelle in Speyer von Bischof Ludwig Sebastian da Sakrament der Firmung. Edith Stein war überglücklich, Gott gefunden zu haben und ein Kind der Mutter Kirche zu sein.

Und ihre leibliche Mutter in Breslau? Edith Stein bebte vor Furcht, wenn sie daran dachte, daß sie ihrer Mutter das alles mitteilen mußte. Sie rechnete, mit Schimpf und Schande aus der Familie, die ihr so viel bedeutete, verstoßen zu werden. Sie wählte nicht den Ausweg einer brieflichen Mitteilung, sondern fuhr selbst zur Mutter nach Breslau, kniete vor ihr nieder und sagte: „Mutter, ich bin katholisch.“ Der Schmerz übermannte die starke Frau. Sie weinte. Damit hatte Edith nicht gerechnet. Sie sah ihre Mutter zum erstenmal in Tränen. Kein Mensch in der Familie konnte für Ediths neuen Weg Verständnis aufbringen. Edith blieb ein halbes Jahr bei der Mutter, fastete mit ihr und begleitete sie wie früher in die Synagoge. Wenn der Rabbiner die Worte las: „Höre, Israel, dein Gott ist ein Einziger“, dann faßte die Mutter ihre Tochter und flüsterte: „Hörst du es? Dein Gott ist nur ein Einziger!“

Edith hat die Wahrheit gesucht und Gott gefunden. Sie sagt zwar von jener Nacht der Gnade im August 1921 in Bergzabern: „Von diesem Augenblick an war der Karmel mein Ziel.“ Aber sie ist noch lange nicht am Ziel. Sie sucht nun weiter nach dem Weg, den sie, von Gottes Hand geführt, gehen soll. Wie sieht dieser Weg aus?

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Quelle:
Friedrich Wetter Erzbischof von München und Freising: Edith Stein. Zur Wahrheit berufen – vom Kreuz gesegnet. Ein Lebensbild. Vortrag im Dom zu Mainz am 7. Februar 1984, S. 10-13

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„Vom radikalen Unglauben“ zum „wahren Glauben“

Es ist inzwischen ein – auch in vielen Sprachen verbreiteter – Allgemeinplatz, dass Edith Stein im Alter von 14 Jahren im Hause ihrer Schwester Else Gordon in Hamburg ihren jüdischen Glauben aufgegeben habe und Atheistin wurde, aber in jener sagenumwobenen Nacht in Bergzabern, im Sommer 1921, bei der zufällig gewählten Lektüre der Selbstbiographie der hl. Teresa von Ávila, gläubig wurde und ausgerufen habe: „Das ist die Wahrheit,“ dass also in diesem Moment aus der Atheistin eine christlich gläubige Frau geworden sei. Heute wissen wir, dank eines viel besseren Informationsstandes, dass es ein sehr viel differenzierterer Prozess gewesen ist.

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